In diesem Artikel klären wir was die wichtigsten Aufgaben des Scrum Masters sind. Unter anderem klären wir auch folgende Fragen:
Wer sind seine Kunden? Was seine Aufgaben gegenüber dem Scrum Team? Wie unterstützt er den Product Owner? Und was sind eigentlich die Verantwortlichkeiten dem Unternehmen gegenüber?
In der letzten Folge haben wir erklärt, was eigentlich einen Product Owner so wichtig macht für das Unternehmen. Dabei haben wir auch folgende Fragen geklärt:
Was ist das richtige Mindset für einen Product Owner? Was macht einen guten Product Owner aus? PRODUCT Owner statt PROJECT Owner – ist das Zufall? Und was sind eigentlich die Verantwortlichkeiten des Product Owners?
Schau also unbedingt hier vorbei falls du darüber mehr lernen willst.
Wir möchten am Anfang einen ganz wichtigen Punkt klar stellen.
Der Scrum Master hat drei Kunden: Das Entwicklerteam, den Product Owner und das Unternehmen an sich.
All zu oft haben wir den Eindruck, dass mindestens einer dieser drei Kunden vergessen wird. Am häufigsten das Unternehmen selbst, da man mit dem Team(s) und Product Owner schon genug Aufgaben eigentlich hat. Und mir ist das auch schon passiert, dass ich so mit meinen Teams beschäftigt war, dass ich vergessen habe zu schauen, wie sich eigentlich das Unternehmen im Bezug auf Scrum weiterentwickelt.
Aber gehen wir es mal der Reihe nach durch.
Im Scrum Guide 2020 sind die Aufgaben für das Scrum Team jeweils in 4 kurzen Punkten dargestellt:
„● die Teammitglieder in Selbstmanagement und interdisziplinärer Zusammenarbeit zu coachen;
● das Scrum Team bei der Fokussierung auf die Schaffung von hochwertigen Increments zu unterstützen, die der Definition of Done entsprechen;
● die Beseitigung von Hindernissen (impediments) für den Fortschritt des Scrum Teams zu bewirken; und
● sicherzustellen, dass alle Events von Scrum stattfinden, positiv und produktiv sind und innerhalb der Timebox bleiben.“
– Scrum Guide 2020
Doch was bedeutet das genau? Um den Artikel nicht übermäßig lang werden zu lassen und da wir auf die einzelnen Punkte in anderen Artikeln noch im Detail eingehen werden (Newsletter abonnieren lohnt sich also 😉 ), werden wir uns in diesem Artikel auf einige Punkte besprechen.
Selbstmanagement bedeutet z.B., dass die Teams nicht auf den Product Owner warten um eine technische Entscheidung für die Umsetzung eines Items zu treffen. Das Team ist selbst dafür verantwortlich, wie ein Item umgesetzt wird. Der Product Owner hat andere Aufgaben, die wir im vorherigen Beitrag dargestellt haben. Kurz zusammengefasst er ist dafür verantwortlich, was gemacht wird und maximiert somit den Wert der Arbeit der Entwickler. Auch bedeutet Selbstmanagement, dass die Entwickler durchaus im Sprint Items nachziehen dürfen, wenn die Priorisierung klar ist. Wenn nicht sollten sie eine kurze Rücksprache mit dem Product Owner haben.
Selbstmanagement bedeutet nicht, dass sie alle Probleme selbst lösen müssen und das mittlere Management sich nicht mehr um seine Teams kümmern muss. Ganz im Gegenteil. Durch die Einführung von Scrum werden nicht auf einmal alle Problem gelöst. Viel mehr werden die vorher unbekannten/ignorierten Probleme aufgedeckt und müssen nun angegangen werden. Und dazu ist die Unterstützung des Managements extrem wichtig.
Das Thema interdisziplinäre Zusammenarbeit ist genauso wichtig, da wir in den meisten Unternehmen sehen, dass für die Entwicklung des Produkts nicht nur ein Team mit einer „Fähigkeit“ nötig ist, sondern mehrere Teams mit unterschiedlichen „Fähigkeiten“. Vor allem wenn es um das Thema Integration von Features geht, fällt das oft auf.
Für uns ist die Zusammenarbeit mit anderen Teams bzw. Rollen eine der wichtigsten Grundlagen für Scrum und darum legen wir in unseren Trainings besonders wert auf diesen Punkt. Wir werden das Thema aber auch noch separat in einem Blogbeitrag genauer unter die Lupe nehmen.
Fokussierung auf die Schaffung von hochwertigen Inkrementen ist ebenfalls ein ganz essentieller Punkt, den wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen müssen. Es geht nicht einfach „nur“ darum beschäftigt zu sein, sondern immer den Kundenmehrwert im Blick zu behalten. Das heißt auch zu Anfragen „Nein“ zu sagen, da es aktuell einfach nicht die höchste Priorität ist. Dazu ist die Unterstützung des Product Owners entscheidend.
Auch müssen wir als Scrum Master den Entwicklern und allen anderen Rollen klar machen, warum es so wichtig ist eine Definition of Done zu haben und sich an diese zu halten, da sie einen riesigen Mehrwert für die Entwickler, den Product Owner und damit im Endeffekt den Kunden liefert.
Die bekannteste Aufgabe ist das Beseitigen von Hindernissen (Impediments). Aber auch hier gibt es Fallstricke, auf die man achten muss. Eines der Scrum Master Anti-Patterns ist z.B. die sogenannte „Scrum Mum“, also quasi die Mutter für alles. „Stell doch bitte mal den Termin ein.“ „Kannst du bitte schauen, warum Programm XY gerade bei mir nicht funktioniert.“ Dadurch kann man als Scrum Master sehr beschäftigt sein und das fühlt sich auch gut an, da man das Gefühl hat zu helfen, aber Aufgaben die auch innerhalb des Einflussbereichs der Entwickler liegen, müssen diese auch selbstständig lösen.
Und natürlich gehört auch das unterstützen (engl. facilitate) der Scrum Events zur Aufgabe des Scrum Masters.Vor allem der Fokus auf produktive und damit ergebnisfokussierte Events, die innerhalb der Timebox bleiben ist hier die Kunst.
Dieser Punk, aber natürlich auch die anderen Punkte, hängen sehr von der Scrum Erfahrung des Teams ab und wie gut das Team zusammenspielt. Was wir damit meinen wird im sogenannten „Ownership Model“ sehr gut dargestellt.
Dieses Modell beschreibt sehr gut, was passiert, wenn man zu viel Freiheiten hat, aber in einem Umfeld agiert in dem man sich nicht auskennt. Es entsteht nämlich Chaos und Unsicherheit, da man eigentlich Unterstützung bzw. Führung von jemandem braucht um die Aufgaben zu lösen. Bekommt man diese Unterstützung nicht, wird irgendwas hingepfuscht, um das Ziel irgendwie zu erreichen.
Hat man zu wenig Freiheiten und ist eigentlich viel erfahrener, könnte man die Aufgaben viel schneller erledigen, aber wird die ganze Zeit ausgebremst. Das führt dazu, dass die Motivation sinkt und man eigentlich nur auf den nächsten Befehl wartet und diesen einfach nur unkreativ ausführt. Hier fehlt also jegliche Innovation.
Und die besten Resultate bekommt man in der goldenen Mitte bzw. unserer Meinung nach vor allem wenn man sich eng an der oberen gestrichelten Linie hält und auch mal, während eines Experiments z.B., über die Linie hinauskommt. Nur so ist man konstant gefordert und muss sich weiterentwickeln, ohne die ganze Zeit überfordert zu sein und eigentlich keine Zeit hat sich weiter zu entwicklen.
Hier schreibt der Scrum Guide 2020 folgendes:
„● bei der Suche nach Techniken zur effektiven Definition des Produkt‐Ziels und zum Product‐ Backlog‐Management zu helfen;
● dem Scrum Team dabei zu helfen, die Notwendigkeit klarer und präziser Product‐Backlog‐ Einträge zu verstehen;
● bei der Etablierung einer empirischen Produktplanung für ein komplexes Umfeld zu helfen; und
● die Zusammenarbeit mit Stakeholder:innen nach Wunsch oder Bedarf zu fördern (facilitate).“
— Scrum Guide 2020
Das Produkt-Ziel ist unserer Meinung nach eines der wichtigsten und besten Verbesserungen im neuen Scrum Guide 2020 im Vergleich zum Vorgänger von 2017. Warum? Fast allen Teams mit denen wir bis jetzt zusammengearbeitet haben fehlt eine längerfristige Roadmap bzw. Vision für die Aufgaben des Teams. Und genau hier kommt das Produkt-Ziel ins Spiel und gibt den Teams eine klare Richtung vor, in die es sich entwickelt und damit auch einen Sinn. Natürlich ändert sich das auch während man auf dem Weg zu diesem Ziel ist, aber die Motivation durch das „Warum bzw. wofür machen wir das gerade eigentlich?!“ ist für alle Teams ein riesiger Faktor ob das Produkt erfolgreich wird oder nicht. Leider wird auch das viel zu oft vergessen oder dieser riesige Mehrwert nicht gesehen und deshalb ignoriert.
Klare und präzise Product-Backlog Einträge helfen sowohl dem Product Owner als auch den Entwicklern, da durch z.B. klare Use cases oder Anforderungen viele Diskussionen verkürzt bzw. auf das Wesentliche fokussiert werden können. Also Weg von irgendwelchen Annahmen a la „Ich glaube der Kunde will damit das und das erreichen.“
Die Zusammenarbeit mit Stakeholdern zu fördern ist extrem wichtig, um am Schluss des Sprint im Review nicht da zu stehen und von den Kunden zu hören: „So haben wir das eigentlich nicht gemeint.“ oder noch schlimmer „Das können wir so gar nicht nutzen.“. Und das ist ein Problem, das sich, wenn sich das beschriebene Szenario wiederholt, zu einem hohen Risiko für den Erfolg des Produkts und damit den Erfolg des Unternehmens werden kann. Passiert das nämlich zu oft, dann wird der Kunde sich bei der Konkurrenz umschauen oder, falls es sich um einen internen Kunden handelt, sich das Feature einfach selbst zusammenbauen, was aber dann speziell nur bei ihm funktioniert und in der Regel schwer in andere Lösungen integrierbar ist. Ein guter Scrum Master erkennt daher früh, dass der nötige Kundenkontakt fehlt und unterstütz dabei diesen Aufrecht zu erhalten.
Hier steht im Scrum Guide folgendes:
„● die Organisation bei der Einführung von Scrum zu führen, zu schulen und zu coachen;
● Einführungen von Scrum in der Organisation zu planen und zu empfehlen;
● Mitarbeitende und Stakeholder:innen beim Verständnis und bei der Umsetzung eines empirischen Ansatzes für komplexe Arbeit zu unterstützen; und
● Barrieren zwischen Stakeholder:innen und Scrum Teams zu beseitigen.“
— Scrum Guide 2020
Bei der Einführung von Scrum ist der Scrum Master einer der wichtigsten Spieler und Botschafter von Scrum. Hier unterstützt er durch seine Erfahrung z.B. bei der Auswahl des richtigen Skalierungsframeworks (LeSS, Nexus, Scrum of Scrums,…), bei der Einführung von Feature-Teams, bei dem Mindset-Wechsel Weg von einem denken in Projekten, hin zu einer Denkweise in Produkten. Durch zusätzliches Wissen in Bereichen wie Lean-Change Management oder DevOps kann er das Unternehmen noch weiter entwickeln indem er z.B. beim erstellen einer Value-Stream Map unterstützt oder bei der iterativen Einführung von Scrum mit Hilfe des Lean Change Cycles die nötige Führung und Erfahrung mitbringt.
Nach all dem Gesagten ist es leicht zu sehen, warum und an welchen Stellen ein Scrum Master einen Mehrwert nicht nur für die einzelnen Rollen, sondern für das gesamte Unternehmen darstellt.
Der:die Scrum Master:in ist ergebnisverantwortlich für die Effektivität des Scrum Teams – Scrum Guide 2020
Allein dieser gern überlesene aber unfassbar wichtige Satz im Scrum Guide zeigt, wie wichtig ein guter und ambitionierter Scrum Master für das Unternehmen ist.
Er ist nämlich die Person, die, unter anderem, dafür sorgt, dass das die Scrum Teams effektiv sind und nicht nur effizient. Und warum Effektivität Effizienz in jeder Situation übertrumpft werden wir nochmal in einem späteren Artikel im Detail erklären.
Wir werden oft gefragt: „Wozu brauche ich denn einen Scrum Master? Der entwickelt doch gar nicht am Produkt.“ Worauf unsere genauso klare, wie simple Antwort ist:
Ein Scrum Master ist wie ein Katalysator. Er findet Probleme im gesamten Unternehmen und beseitigt diese, um eine Umgebung zu schaffen, in denen jeder Einzelne maximal zum Erfolg des Produkts und damit des Unternehmens beitragen kann!
Hier noch zur Vollständigkeit die Definition eines Katalysators in der Chemie, um die Analogie noch klarer darzustellen.
[Ein] Katalysator […] bezeichnet in der Chemie einen Stoff, der die Reaktionsgeschwindigkeit durch die Senkung der Aktivierungsenergie einer chemischen Reaktion erhöht. – Wikipedia (Betonung durch uns angepasst)
Der Scrum Master ist eine oft unterschätzte Rolle im Unternehmen, die aber für den Erfolg des Unternehmens ganz entscheidende Aufgaben inne hat, da er alle Rollen im Unternehmen unterstützt und einen klaren Fokus auf den Wert der Produkte und die Kunden hat. Auch hilft er auf dem Weg weg von Projekten und hin zu Produkten (die den eigentlichen Kundenmehrwert liefern) und bei der Verbesserung nicht nur der Effizienz („high-performing Teams“), sondern auch der Effektivität. Je mehr Erfahrungen der Scrum Master dabei hat außerhalb seines „Tellerrands“ (Lean Change Management, DevOps,…) desto wertvoller wird er für das Unternehmen.
Schreib uns das auch unbedingt in die Kommentare und wir werden dir gerne und ausführlich antworten!
Da das jetzt alles wieder sehr viel Input auf einmal war, haben wir eine einfache Übersicht über alles was zum Scrum Rahmenwerk gehört, für dich in einem kostenlosen Poster dargestellt. Du findest es hier:
Damit du all die gelernten Begriffe auch schnell nachschauen kannst, haben wir dir zusätzlich einen kostenlosen Glossar auf Deutsch mit +230 Begriffen zu DevOps, Agile und Lean mit den entsprechenden englischen Fachbegriffen (macht das Googeln meist einfacher, da es noch sehr wenige vollständige deutsche Blogs zu diesen Themen gibt) erstellt.
Und auch der ist komplett kostenlos. Du findest den Glossar hier:
In der nächsten Folge erklären wir dir, warum Scrum und DevOps ein perfektes Match sind und wie das Unternehmen und alle Angestellten davon profitieren können.
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